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Dienstag, 29. September 2009
Geburtstag, Geburtstag! Musikexpress und VOGUE feiern.
In Indien feiert man seinen Geburtstag, indem jeder Gast das Geburtstagskind mit einem Stück Kuchen füttert, in Mexiko schlägt man auf ein Pappmachétier ein, bis die Süßigkeiten rauspurzeln und die Dänen hängen am Geburtstag ihre Landesflagge aus dem Fenster. Die einen rüschen sich für ihren „Sweet Sixteen“ auf, anderen brauchen zum Feiern nur eine Flasche Wein und den besten Freund. Es gibt viele unterschiedliche Arten, den eigenen Geburtstag zu begehen, denn an keinem anderen Tag im Jahr wird einem so viel Gestaltungsfreiraum gelassen wie an diesem. (was man ja als Kind dann gern mal ausnützt. „Ich hab heute aber Geburtstag, ich darf alles!“)

2009 feiern nun unter anderem zwei große deutsche Zeitschriften ihr Jubiläum, die ich mir deshalb mal genauer angesehen habe: die deutsche VOGUE wird 30, der Musikexpress (ME) 40 Jahre alt.
Wie erwähnt soll ja jeder mit seinem Ehrenfest anstellen, was er will, aber wie unterschiedliche die Herangehensweisen sein können, wird bei diesen beiden Zeitschriften allein durch die Dicke bewusst: während der ME nicht dicker als sonst ist, aber ein Extraheft (ME von 1969, die erste Ausgabe überhaupt) beiliegt, wiegt die VOGUE mit ihrem Quellekatalogformat ganz schön schwer in der Tasche. Der von Buch- und bestimmt auch Zeitschriftenhändlern so gefeierte „Warendruck“ (je höher der Stapel desto eher nimmt der Kunde das Produkt mit) wird zumindest schon damit erreicht, dass fünf gestapelte VOGUEs einen halben Meter ergeben (naja, fast).



Nun hat beim Musikexpress der Leser wirklich was vom Jubiläum: mit viel Liebe hat man ein Special erarbeitet, das Musik- und ME-Geschichte jahrzehnteweise aufrollt und so einen guten Überblick über die neuere (Rock-/Pop-)Musikgeschichte bietet. Dazu ein „Interview-Mega-Mix“ mit Antworten von Künstlern aus ebendiesen vier Jahrzehnten, nerdige Statistiken (Wer hatte wie viele Platten des Monats im ME?) und die „100 besten Alben 1969 – 2009“, ausgewählt von den bewährten ME-Journalisten und der Crème de la Crème der (deutschen) RockPopAlternative-Szene. Beispielsweise: Rene Arbeithuber (Slut), Jan Delay, Adam Green, Peterlicht, Scott Matthew, Kele Okereke, Olli Schulz, Tocotronic. Genau das Richtige also für die enthusiastisch Bestenlisten erstellende und backkataloginteressierte ME-Leserschaft.

So feiert man sich, aber viel mehr die Musik, über 54 Seiten, was einem Feieranteil von 33,3% entspricht. Gratulanten gibt’s tatsächlich auch ein paar, allerdings nur fünf, und das reicht. Der ME punktet also (mal wieder) mit Liebe zum Detail und Fakten rund um die Musik.



Ganz anders da die VOGUE!
Dass sie oft nicht mehr ist als ein Hochglanzbilderbuch für Erwachsene, ist bekannt. Wer inhaltlich tatsächlich Wertvolles lesen will, wird nicht zur VOGUE greifen. Allerdings verbreitet sie wie sonst keine Zeitschrift Glamour und versucht seit 30 Jahren, den Deutschen Mode und sonstige exquisite Kleinigkeiten - wie z.B. ein kleines Glitzergeweih zum Anstecken für knapp 10.000€ - näher zu bringen. Das Theater um Aussehen, Reisen und teuren Lebensstil kann man für oberflächlich halten, doch diese Debatte bleibt hier außen vor. Interessanter fand ich einfach die Tatsache, dass die VOGUE zum Jubiläum drei unterschiedliche Ausgaben herausgibt – ein gestaltet von Bruce Weber, eine von Peter Lindbergh und eine von Karl Lagerfeld. Jeder Photograph hatte die Aufgabe, Berlin zu inszenieren, wenngleich die VOGUE ihren Sitz in München hat – aber Deutschland als Thema ist wohl zu komplex, man beschränkt sich auf die Hauptstadt, hält aber die drei unterschiedlichen Cover in den Landesfarben schwarz, rot und gold. Entschuldigung: hä? Bin ich jetzt Deutschland oder bin ich Berlin? Das Geheimnis lüftet sich ein wenig, wenn man auf Seite 88 (!) den ersten redaktionellen Beitrag zwischen den Anzeigen findet: man will mit dieser VOGUE-Ausgabe „sehen, wie die Vergangenheit auf die Gegenwart und die Zukunft wirkt, und zwar in einem Deutschland, das nach seiner Wiedervereinigung wie kaum eine andere Nation auf der Welt einen Wandel durchlief und es immer noch tut“. Nur leider scheint der Wandel zum Farbfilm noch nicht vollzogen zu sein, Deutschland in den Augen der Fotographen ist grau und sepiafarben, wie die endlosen Fernsehdramen und Dokumentationen zur deutschen Geschichte.



Die VOGUE feiert sich also wie erwähnt dreifach, und nur jeweils eine Fotoserie wird pro Heft groß gedruckt, von den beiden anderen sieht man einen kleinformatigen Überblick.
Vielleicht geht mir die Faszination für Berlin einfach ab, vielleicht halte ich zu wenig von einem Fernsehturm in schwarz-weiß und nackten Brüsten, aber die Faszination der Lindberghschen Fotos erschließt sich mir nicht. Bruce Weber inszeniert seine Reihe gleich ganz in den USA, mit Heidi Klum, Kirsten Dunst und Max Raabe – im Nachhinein hätte ich lieber diese Ausgabe gehabt, als die von Karl Lagerfeld. Der hat wie immer großartige Architekturfotos geliefert, den Rest (Claudia Schiffer und Diane „Ausdruckslos“ Kruger) fand ich nicht besonders beeindruckend. Witzig war immerhin die Idee, Bill Kaulitz, „Die andere Idee eines Deutschen“ (Lagerfeld), zu portraitieren.

Bei der VOGUE konkret mitzuzählen, was Werbung ist und was ein redaktioneller Beitrag, erübrigt sich fast, denn in dem Wust aus Anzeigen und Weber/Lindbergh/Lagerfeld-Fotos bleibt wenig Platz für „richtige“ Artikel. Sie kommt auf eine stattliche Anzahl von 45 Gratulanten – oder gratulieren die nur, weil das noch mal wie eine Doppelseite Werbung ist?
Überhaupt eben Werbung: 51% dieser VOGUE besteht daraus. Zählt man die Gratulanten dazu, ist es nochmal wesentlich mehr – und wer bitte blättert sich gerne durch so viele Anzeigen? Wer sieht überhaupt noch genau hin, nimmt die jeweilige Marke wahr? Noch dazu wird in Zeiten der Krise selbstverständlich eher traditionell inszeniert, die Modefotografie reißt im Moment niemanden mehr vom Hocker.

Nachdem ich mich also durch den Werbekatalog „VOGUE“ geblättert und durch den Musikexpress gelesen habe, gewinnt letzterer klar in meiner Gunst. Inhaltlich und was die Zielgruppe angeht, kann man die beiden Zeitschriften sowieso schlecht vergleichen, aber mir ging es nur um die Art, wie sie das, was sie tun und sind, zelebrieren. Dabei hätte ich von der VOGUE erwartet, dass sie ihrem Ruf, stilbildend zu sein, wirklich nachkommt und etwas Neues wagt. Stattdessen beauftragt man drei sowieso gelobte Photographen, das auch nicht gerade originelle Thema „Berlin“ zu inszenieren. Der mit offensichtlicher Begeisterung gestaltete ME hat den Nachteil, dass man mal wieder Stunden zum Lesen bräuchte. Aber ich kann mir Vorstellen, diese Ausgabe in 20 Jahren noch mal anzukucken. Die VOGUE dagegen wandert, nachdem ich ein paar hübsche Photographien rausgerissen habe, in den Müll. Mit Werbung wird man schließlich jeden Tag genug bombardiert.

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